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Eröffnungsrede von Mira Hofmann im Kulturraum Speyer am 5. September 2020 zur Ausstellung vonThitz und Baumgärtel "Banana-Style und Tüten-Kunst" (5. September bis 1. November 2020):
 
Ich freue mich zu Ihnen zu sprechen und diese lebensfrohe, mutige und stark machende Ausstellung vorzustellen. Ich war diese Woche noch in Berlin und Hamburg, wo die Menschen wie hier in Speyer sich so darauf freuen, rauszugehen, Leuten zu begegnen, ohne Angst das Leben zu genießen und außer den Nachrichten und Zahlen wieder Freude und Lebenslust zu genießen. Dankenswerterweise haben Maria Franz und Anton Bronich durch die Künstler Thomas Baumgärtel und Thitz die Welt zu uns gebracht, und wir dürfen heute genießen:
 
Die Arbeiten des Geschichtenerzählers Thitz, der ja schon öfter in der Galerie Kulturraum ausgestellt hat. Er zeigt uns seine Sicht auf die Städte dieser Welt: mehrmals die Shopping-Meile von New York, oder das multikulturelle Berlin, oder die Stadt der Liebe und der Mode Paris, oder die Wasserstadt Venedig oder die chinesische Industrie-Metropole Schanghai, oder das quirlige London.
 
Es ist aber nicht die reale Architektur, die im Vordergrund steht, auch wenn manchmal Fotos oder U-Bahn-Pläne eingearbeitet werden. Es sind die Menschen, die uns ansprechen: Sie wirken unbeschwert, fröhlich, farbenfroh. Sie leben auf engstem Raum miteinander und kümmern sich umeinander, auch wenn sie offensichtlich aus verschiedenen Kulturkreisen stammen. Die Welt ist schön, die Städte sind friedlich, die Menschen freundlich. Wir können leicht in die Bilder eintauchen und unsere eigenen Geschichten erzählen, wir können uns Charaktere und Biografien ausdenken und in Gedanken unsere eigene Reise machen.
 
Wenn wir dabei zu sehr abschweifen, erinnert uns Thitz daran, dass er der Urheber der Tütenbilder und der Geschichten ist: Thitz stellt sich selbst dar, als Künstler, als Mensch oder stellvertretend durch seine Schuhe.
 
Der Malgrund, das Papier, manchmal auch die Henkel zeigen uns, dass hier keine Leinwand bemalt ist, sondern einfache Papiertüten. Damit arbeitet Thitz seit über 30 Jahren. Einmal aus Verlegenheit zu Brötchentüten als Papierersatz gegriffen und auf USA-Reise von den meterhohen schillernden Häuserfronten in New York nachhaltig beeindruckt, entstand der typische Thitz-Stil. Die Tüte steht für die Globalisierung der Welt, die Massenproduktion, die Konsumwelt, aber auch für den ursprünglichen Zweck als Transportmittel von Waren oder auch Ideen. In der Tradition der Künstlerreisen des 19. Jahrhundert ist er oft unterwegs, um neue Inspirationen zu sammeln, Menschen zu begegnen und sich auszutauschen. Davon erzählt seine Kunst.
Seine Tüten platzen schier vor Lebenslust, schöpferischer Energie und Hoffnung auf eine bessere Welt: Utopia, ein Nirgendwo, ein Wunschtraum. Die Wirklichkeit ist gar nicht so weit entfernt davon, manchmal nur ein Lächeln.
 
Diese Kunst ist einzigartig. Thitz hat geschafft, wovon viele Maler träumen: Eine „Marke“ zu werden. Das hat er gemeinsam mit seinem langjährigen Freund und Künstlerkollegen Thomas Baumgärtel, dem Bananensprayer. Seit 1986 benutzt er die Bananenschablone, um Kunstorte zu kennzeichnen. Jeder kennt sie; die Baumgärtel-Banane ist berühmter als die Warhol-Banane, und jede Galerie, jedes Museum ist stolz, eine Banane zu haben. Auch am Eingang dieser Galerie weist eine Banane den Weg zur Kunst.
 
Seit 1998 sind Baumgärtel und Thitz miteinander befreundet. Sie haben einen ähnlichen Blick auf die Welt: fröhlich, bunt, mit einem Augenzwinkern, aber auch kritisch. Ihre Kunst ist im besten Sinne Pop Art: popular art, also Kunst fürs Volk, Kunst, die auf die Straße geht, die nicht kompliziert ist, sondern Botschaften vermittelt und manchmal auch provoziert. Baumgärtel hat Psychologie studiert, er weiß also, was er bewirkt: Seine Motive sprechen zu uns, fordern dazu auf, sich eine eigene Meinung zu bilden, zuzustimmen oder auch dagegen zu argumentieren, sich offen mit anderen Gedanken auseinanderzusetzen, die Freiheit der Demokratie zu nutzen, den gedanklichen Austausch zu suchen. Seine Banane steht für Freiheit und für Demokratie. Ein passendes Symbol also für das Brandenburger Tor. Auch Pippi Langstrumpf kann als Vorbild für eine eigene Meinung gelten, denn sie macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt.
Baumgärtel verspricht sogar: wer Kunst kauf, kommt ins Paradies. Wer will ihm widersprechen? Ich nicht.
 
Ich finde es interessant, dass zwei so starke Persönlichkeiten nicht nur befreundet sind, sondern sich in ihren Kunstwerken gegenseitig ergänzen. Ihr gemeinsames Thema ist die Kommunikation, das Zwischenmenschliche, die Veränderung der Welt, der Humor.
 
Hier im Eingangsraum: Das Bild mit dem Titel „I love you“ zeigt ein Paar, das nicht zusammenkommen kann, weil die ganze Welt zwischen ihnen liegt. Aber anstatt Angst zu machen, vermitteln die trennenden Tüten gute Botschaften:
Freude am Sein, Vorfreude auf Weihnachten (es sind nur noch 3,5 Monate bis dahin), Geschenke und ganze Wundertüten. Begleitet von Mickey Mouse, Bert aus der Sesamstraße, Biene Maja und Snoopy trifft sie am Ende Amors Pfeil. Oder welche Geschichte sehen Sie darin?
 
Machen Sie einen Gang durch die Ausstellung, entdecken Sie die Welt von Thitz und Baumgärtel, besonders empfehlen möchte ich die Speyer-Bilder: Die Gedächtniskirche von Thitz als Frau mit großem Hut. Oder die zarte Nacktheit, die sich auf einem Bett aus Brezeln bettet: Auch ein Wunschtraum? Beeindruckend finde ich von Thomas Baumgärtel den Dom zu Speyer: anders als erwartet, in verschiedenen Grautönen auf eine Holzwand gesprayt. Aber Sie finden auch die Bananen in verschiedenen Formen, plakativ und nachdenklich, explodierend, als Bananenröckchen, einfarbig und bunt, als Maulstopfer oder besonders schön und humorvoll als Bananenhampelkönig, wo sich Baumgärtel selbst zum Motiv macht. Sie dürfen ihn zappeln lassen.
 

Diese Kunst macht Spaß und umfasst ein ganzes Universum. Nehmen Sie das Angebot wahr: Umarmen Sie die Welt, genießen Sie die Kunst, und wie Sie ins Paradies kommen, wissen Sie ja jetzt. 
Mira Hofmann, Kulturwissenschaftlerin, Speyer

 

Rede von Andrea Brandl zur Ausstellungseröffnung Thomas Baumgärtel in der Kunsthalle Schweinfurt, 30.7.2020 

 

Liebe Kunstfreunde,

lieber Thomas Baumgärtel,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

 

unsere allerherzlichsten Glückwünsche zu Ihrem großen Jubeltag und vielen Dank, dass Sie gerade heute an Ihrem Geburtstag diese Eröffnung begleiten!

 

„Graffiti ist Politik“, könnte man die Maxime von Thomas Baumgärtel auf den Punkt bringen. Dabei ist Street oder Urban Pop Art gar keine aktuelle Kunstform jenseits musealer Grenzen, sondern es gab sie schon in der römischen Antike. Ungemein modern anmutende Strichmännchen und in Kurzformeln reduzierte, aber eindeutige Botschaften wurden schon an die Hauswände im antiken Pompeji gekritzelt. Bisweilen mit einer Signatur, bisweilen ohne…Und dass das Rheinland und Franken gar nicht so weit auseinanderliegen, beweisen nicht nur die zahlreichen barocken Bauten von Balthasar Neumann im Auftrag der Grafen von Schönborn und der Wittelsbacher dort und hier, sondern auch die wechselseitigen Bezüge zur informellen Kunst in der Nachkriegszeit und der Blick in die ständige Sammlung im Westflügel. Zu nennen wären in diesem Zusammenhang Georg Meistermann (St. Kilian), Karl Fred Dahmen (Theater) und andere.

 

Bereits im Oktober 2003 hat der in Köln lebende Thomas Baumgärtel auf Vermittlung des Karlsruher Galeristen Michael Oess die altehrwürdige Galerie für zeitgenössisches Kunstschaffen in Franken in der Alten Reichsvogtei mit seinem unverkennbaren Markenzeichen ausgezeichnet. Manch einer in Schweinfurt mag sich über diese ungewöhnliche Kunstaktion die Augen gerieben haben, die verantwortlichen Kuratoren, Dr. Erich Schneider und ich, waren jedenfalls mächtig stolz, dass der bekannte Rheinländer nun auch ihre kleine Galerie neben weltweit renommierten Museen ins Visier genommen hatte. Inzwischen sind es rund 4.000 Kunstorte! Daraus entwickelte sich eine seit Jahren bestehende fruchtbare und freundschaftliche Alliance. Es folgten gemeinsam mit Harald Klemm eine Ausstellung zum Thema „Deutsche Einheit“ 2006/2007 und die Teilnahme des Künstlerduos in der im Mai 2009 eröffneten Kunsthalle Schweinfurt zum geschichtsträchtigen Ereignis des 20-jährigen Mauerfalls. 

 

Unvergesslich wird aber die Sprayaktion am Portal des historischen Gebäudes am 3.10.2009 bleiben, an dem Tag, als Thomas Baumgärtel in Anwesenheit des damaligen unterfränkischen Regierungspräsidenten Dr. Paul Beinhofer und Oberbürgermeisterin a. D. Gudrun Grieser bei gefährlich aufflackerndem Wind das neu geschaffene Domizil für deutsche Kunst mit seinem schon von Weitem sichtbaren Signet bedachte. Dies weckte daraufhin den Wunsch, die historische, eigentlich in fahlem Grau gehaltene Kassettentür im Gleichklang mit der Banane in ein strahlendes Gelb umstreichen zu lassenIm letzten Jahr hat Thomas Baumgärtel das Museumsfest zum 10-jährigen Bestehen der Kunsthalle mit der Kunstaktion „Volksbanane“ begleitet und kurzerhand holte Mathias Wiedemann von der Mainpost seine kostbare Fender-Gitarre von zuhause, um sie in eine Kunst-Gitarre verwandeln zu lassen!

 

Thomas Baumgärtel ist ein durch und durch politischer Künstler. Die möglicherweise auf den ersten Blick bunt erscheinende Ausstellung in der großen Halle hat ein von ihm und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Jan Soldin kuratiertes klares Konzept zu aktuellen oder noch immer brisanten politischen Themen, dabei nimmt jedes Objekt Bezug auf ein anderes im Raum und / oder an der Wand. So tritt beispielsweise das Durchfahrtverbotsschild mit einer von Corona infizierten Banane in direktenDialog mit der Bundeskanzlerin Frau Merkel und ihrem bekannten Leitspruch „Wir schaffen das!“. Eine klare Botschaft vermittelt ebenso eine fast unscheinbare Fahne mit dem Konterfei des in Amerika im Mai umgekommenen Georg Floyd, dessen gewaltsamer Tod inzwischen nicht nur eine weltweite Protestwelle ausgelöst hat und mit der Aufforderung „Kein Rassismus“ an die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahr tagesaktuell anknüpft. Der chinesische Präsident XI Imping beißt in einen roten Apfel, obgleich doch „Demokraten Bananen essen“. Wussten Sie eigentlich, dass China der weltweit größte Exporteur für Apfelsaftkonzentrat ist? Und Sie möchten nicht wirklich wissen, was alles in diesem enthalten ist…

Neben der klassischen Leinwand bearbeitet der 1960 in Rheinberg geborene studierte Künstler und Psychologe quasi alles, was ihm vor die Spraydose kommt: Verkehrsschilder, Ölfässer, Kabeltrommeln, diverses Baumaterial und leerstehende Gebäude (auch in Schweinfurt?). Wer sich von der Vielfalt allein der zwischen 2008 und 2018 entstanden Werkgruppen einen Überblick verschaffen möchte, dem empfehle ich den im Kölner Wienand-Verlag publizierten 416 Seiten starken Ausstellungskatalog, der für 58,- Euro an der Kasse zu erwerben ist.

Thomas Baumgärtels geistreiches Repertoire ließe sich durchaus mit dem berühmten Utensil der Pandora vergleichen. Die neugierige Pandora öffnete sie und ließ damit alle Plagen, die sich darin befanden, auf die Menschheit los. Bevor die Hoffnung, die einzig positive Gabe, welche sich ganz unten in der Büchse befand, entweichen konnte, verschloss sie diese schnell wieder. Handeln bedeutet also bereits seit der Antike, das Schicksal heraufzubeschwören.

 

„Glaub doch, was du willst!“, fordert Thomas Baumgärtel nachdrücklich bei der Auseinandersetzung mit Religion im Allgemeinen und der katholischen Kirche im Besonderen ein. „Mit der Banane kämpft der bekannteste Sprayer Deutschlands seit 30 Jahren für die Freiheit der Kunst und die Glaubensfreiheit“. Was mit der Kreuzigung einer Banane im Anklang an die italienische Kunstform Arte Povera oder die Fluxusbewegung um JosephBeuys während seiner Zivildienstzeit in einem katholischen Krankenhaus am Niederrhein begann, die Reaktionen reichten von Gelächter bis Empörung, Baumgärtel wurde aber nicht entlassen, gipfelte 1998 in der subversiven und lang geplanten Kunstaktion „Wir lieben die Hohe Kirche“ mit einer gigantischen auffaltbaren Banane für das Hauptportal des Kölner Doms anlässlich des 750-jährigen Domjubiläums. Die überdimensionale Frucht drohte dort die Portalanlage zu sprengen, das Happening fand ebenso schnell wie vorbereitet ein jähes Ende. Dabei geht es dem Künstler gar nicht um ein provokantes Infrage stellen von Religion an sich, sondern vielmehr um das kritische Hinterfragen der Institution Kirche, die er, wie andere Weltreligionen auch, an ihrem Dogmatismus bemisst. Was für ein aktuelles Thema! Der Künstler plädiert für die Freiheit der Kunst ebenso wie für eine Freiheit der Religion. Sinnbildlich steht hierfür das riesige Bild vom Kölner Dom.

 

In Folge des Terroranschlags am 11.9.2001 in New York hatte Thomas Baumgärtel wiederum die Idee zu einer Friedensbanane, die er unerlaubt,an elf Kirchen in Köln auftrug, den Dom versah er dabei (vorsichtshalber)mit wasserlöslichen (!) PastellkreidenDie bekannte Kunstkritikerin Dorothee Baer-Bogenschütz stellt zu den politisch fruchtbaren Arbeiten des Bananendadaisten fest: „Das hohe Gut der freien Meinungsäußerung wie sie ein Daumier (im Frankreich des frühen 18. Jahrhunderts den König verunglimpfend) einzigartig zupackend, scharfsinnig, strichsicher und unbeirrt, aber auch der deutsche Simplicissimus transportiert haben, hat sich Baumgärtel zuoberst auf die Fahnen geschrieben.“ „Kunst, die auf die Straße geht, ist und bleibt das Movens des Erfinders der Graffitibanane. Kunst für alle. Kunst, die ein Lächeln in die Gesichter der Passanten zaubert“, so noch einmal Baer-Bogenschütz.

 

Wie weit aber geht Toleranz in der öffentlichen Wahrnehmung? Ein anderer berühmter Kölner Künstler, nämlich der anfangs erwähnte Georg Meistermann, erregte schon in den 1950er Jahren durch sein damals modernes Fresko im Chor von St. Alfons in Würzburg ablehnendes Aufsehen, und kein Geringerer als der spätere Kardinal Julius Döpfner stand dem Künstler als damaliger Bischof von Würzburg mit versöhnlichen Worten gegen eben solche Kritiker zur Seite, als er sagte: „Laßt euch nicht irre machen von jenen, die das Bild aus einer oberflächlichen Schau und vielleicht aus einer unguten Absicht ablehnen und sogar herunterreißen.“

 

Das Bundesverfassungsgericht stellte vor kurzem fest: „Da es Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen“. Auf diesen Kontext spielte auch die Installation von Ottmar Hörl im vergangenen Jahr mit 200 „deutschen“ Zwergen hier im Innenhof an, als JEDER GEGEN JEDEN auf sich schossen. Es waren auch die Tage des schwersten antisemitischen Anschlags der Nachkriegszeit auf die Synagoge von Halle. „Alle, die mit der Installation in Berührung kommen, werden Teil des Projektes und der Debatte und tragen damit etwas zum aktuellen politischen Diskurs bei“, so die Hoffnung des Künstlers Hörl.

 

Ottmar Hörl ist ein Kind der Fluxus-Bewegung, das Experiment einer Synthese von Kunst und Leben und der Ausstieg aus dem Bild, die sich sowohl den Objektfundus der Straße, der Reklame und der Medienprodukte einverleibte. In der Galerie im Quadrat ist hierzu zurzeit die kleine aber hochkarätige Ausstellung Weekend mit der Creme de la Creme des Fluxus um Beuys, Vostell oder Polke als Leihgabe der Sammlung der Bundesrepublik zum komplexen Thema Wahrnehmung zu sehen. Wolf Vostell wiederum hat im Zentrum von Köln bereits 1969 mit der Einhausung eines Opel Kapitän die Verkehrsberuhigung der Innenstädte eingefordert. Mit dem Betonauto in unserer Ausstellung erweist Thomas Baumgärtel dem Fluxus-Künstler eine besondere Referenz, die er im Anschluss meiner einführenden Worte aber besser selbst kommentieren sollte!

 

Als mahnendes Zeichen steht die Spraybanane – nicht nur am Eingang der Kunsthalle, sondern gleichermaßen noch um Untergeschoss in der ständigen Sammlung oder hier mit dem Brandenburger Tor und dem Konterfei von Helmut Kohl im Stile des Bananenpointilismus - schlechthin als Metapher für die Wiedervereinigung und die Geschichte der Bundesrepublik. Der kreative Feingeist Thomas Baumgärtel fordert ein, nur Kunst könne die Republik noch retten und (wer Kunst kauft kommt ins Paradies)

Brücken bauen, statt Mauern zu errichten“, ist deshalb das Thema eines aktuellen Bilderzyklus. Damit spielt Thomas Baumgärtel einerseits auf die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten an sich an, andererseits steht das Motiv für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Grundmaxime demokratischen HandelnsBrücken sind dabei mehr als andere Motive in besonderem Maße authentische Zeugnisse für die Überwindung von Barrieren. Dienten seit Menschengedenken Flüsse als natürliche Grenze zwischen Territorien, so galt es mit Brücken diese zu überwinden, um Allianzen zu schmieden, Handel zu fördern oder sich eines neuen Einflussgebietes zu bemächtigenBrücken sind bei vielen Völkern zugleich Prüfungsort der Seelen auf dem Weg ins Jenseits. 

Die ab 2015 entstandenen, auch auf Grund ihrer zum Teil riesigen Formate beeindruckenden Bilder der Kölner „Hohenzollernbrücke“, der „Glienicker Brücke“ oder die hier ausgestellte „Brooklyn Bridge“ sind in ihrer Wirkung ausgesprochen reizvoll und geraten unberechtigterweise in der bunten Pop-Art-Palette von Gelb und Rot ein wenig in den Hintergrund. Thomas Baumgärtel verwendet als Fond abgelöste Plakatwände, die den Bildern nicht nur eine deutliche räumliche Komponente, sondern ebenso haptische Realität verleihen. Denn das schuppenartig aufgebrochene, mehrschichtige Papier weist ähnlich einer Frottage noch die Struktur des ehemals darunterliegenden Mauerwerks auf und bringt auf seiner Oberfläche Reste von Plakaten zum Vorschein, deren fragmentierte Schrift wie bei einer geheimen Formel wenigstens ansatzweise zu lesen ist. Die imposante Brückenkonstruktion an sich gestaltet der Künstler in einer ihm eigenen besonderen Grisaille-Technik, die Vorbilder in der niederländischen-rheinländischen mittelalterlichen Tafelmalerei vermuten lässt. Die abgestuften Grauwerte sind teils mit der Schablone angelegt, teils gemaltund bei genauerem Hinsehen entdeckt der Betrachter möglicherweise den schwarzen Zeigefinger der Banane. Thomas Baumgärtel gelingt es gerade bei diesen Bildern in Bezug auf das verwendete Material und die formalen Mittel, Geschichte hintergründig und komplex darzustellen

Thomas Baumgärtel hat mit der „fröhlich-lustvollen“ Banane längst ein Alleinstellungsmerkmal in der zeitgenössischen deutschen Kunst gefunden, das ihm wie kaum einem anderen Künstler ermöglicht, politisches Geschehen symbolhaft durch bisweilen stark überzeichnetes, kritisches und dabei humorvolles Hinterfragen ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken. Ob der Betrachter Komplize sein oder auf Konfrontationskurs gehen will, muss er freilich für sich selbst entscheiden

 

Thomas Baumgärtel mahnt uns jedenfalls stets